Jahresrückblick 2019

Die Arbeit der Bürgerinitiative (BI) war durch die Beteiligung am Planergänzungsverfahren und die Vorbereitung unserer Reaktion auf einen neuen Planfeststellungsbeschluss bestimmt. Insgesamt war 2019 ein Jahr, in dem keine spektakulären Aktionen angesagt waren.

Die Formulierung unserer Stellungnahmen zu den vorgelegten Dokumenten im Planergänzungsverfahren war zunächst Sache unserer Experten.

Die BI informierte mit dem Trassenrundbrief und ihren Pressemitteilungen die Mitglieder und die Öffentlichkeit über den aktuellen Stand des Konflikts.

  1. Netzausbau im Bundestag – anhängige Petition zur Aufnahme des Leitungsbauvorhabens Bertikow – Neuenhagen in den Katalog der Pilotprojekte zur Erdverkabelung

Im Januar 2019 legte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus (BT-Drs.19/7375 ) vor, der im Februar 2019 Gegenstand einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags war, zu der zwar die Vertreter der netzausbaukritischen Bürgerinitiativen  nicht eingeladen waren, die aber der Sprecher als Zuhörer verfolgen konnte.

Die umstrittene Leitung Bertikow-Neuenhagen spielte dabei keine Rolle, auch nicht unsere im Petitionsausschuss anhängige Petition aus dem Jahr 2018, auf die der Ausschussvorsitzende Klaus Ernst (Die Linke) im Vorfeld der Sitzung hingewiesen worden war. Auch der Abgeordnete Jens Köppen (CDU) aus der Uckermark, der an der Anhörung teilnahm, hat den Konflikt um die 380kV-Freileitung im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin im Ausschuß nicht thematisiert.

  1. Unverändert harte Haltung des LBGR gegenüber der BI im Planergänzungsverfahren

Im Jahr 2018 war deutlich geworden, dass die Genehmigungsbehörde das Landesbergamt (LBGR) uns gegenüber einen harten Kurs fährt. So wurde z.B. das Beteiligungsverfahren für das Planergänzungsverfahren in den Sommerferien durchgeführt. Die von unserem Anwalt beantragte Akteneinsicht wurde verzögert, indem dieser um den Nachweis seiner Befugnis, die Kläger zu vertreten, gebeten wurde, ein Nachweis, der dem Amt seit Beginn des Konflikts vorliegt und vom LBGR bisher nie in Zweifel gezogen wurde.

Danach wurde uns mitgeteilt, dass die sechswöchige (gesetzliche) Frist zur Aktenübermittlung wegen der aktuellen Arbeiten an dem Projekt nicht eingehalten werden könne, um uns schließlich am Vortag des Erörterungstermins in Eberswalde (7.11.2018) 160 Seiten mit der Stellungnahme des Landesumweltamts zu mailen. Erst im Frühjahr 2019 wurden schließlich weitere Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange zugänglich gemacht. Ein schlechter Stil, der alles andere als vertrauensbildend wirkt.

Inzwischen sind uns die Stellungnahme des Landesumweltamts und das Protokoll des Erörterungstermins zugegangen und von uns ausgewertet worden.

  1. Stand des Planergänzungsverfahrens: bislang noch kein neuer Planfeststellungsbeschluß

Da sich im Randow-Welse-Bruch ein Schreiadlerpärchen in 600m Abstand zur geplanten Freileitungstrasse angesiedelt hatte, mußte 50 Hertz auch hier den Nachweis liefern, dass dieses Schreiadlerpärchen durch die Errichtung der geplanten Freileitung nicht erheblich beeinträchtigt werde. Unsere Experten haben diesen „Nachweis“ zurückgewiesen.

Die im Planergänzungsverfahren erforderliche Nachbeteiligung der Öffentlichkeit wurde in den Sommerferien 2019 durchgeführt. Obwohl sich unsere Experten im Urlaub befanden, konnten sie die Zuarbeit für unsere fristgerechten Stellungnahmen bewältigen.

Dies galt auch für den von 50Hertz vorgelegten „Nachweis“, dass 15 Arten der Gefährdungsklasse 2 durch die Freileitung nicht erheblich beeinträchtigt würden. Hier haben unsere Experten auf die besondere Gefährdung von 5 Arten (Ringeltaube, Star, Teichhuhn, Wachtel, Waldschnepfe) hingewiesen.

Das LBGR, das unsere Kritik an der Terminierung des Beteiligungsverfahrens mit dem Hinweis, dass die Zeit dränge, zurückgewiesen hatte (die Landtagswahlen standen ins Haus), konnte das Planergänzungsverfahren nicht vor der Landtagswahl beenden. Wir hatten mit dem Erlass eines neuen Planfeststellungsbeschlusses noch vor der Landtagswahl gerechnet und uns darauf eingestellt. Offenkundig sind aber die Probleme, einen gerichtsfesten Planfeststellungsbeschluß zu formulieren, doch größer als von den Befürwortern und Propagandisten des Leitungsbauvorhabens konzediert.

  1. Antragskonferenz für das NABEG-Projekt Bertikow-Pasewalk im Juni 2019 trotz unseres Protests durchgeführt

50 Hertz arbeitet schon seit Jahren an der Planung zur Fortführung der 380kV-Freileitung von Bertikow nach Pasewalk. Weil diese Leitung die Grenze zu Mecklenburg -Vorpommern überschreitet, ist für die Genehmigung dieses Projekts die Bundesnetzagentur (BNA) zuständig. Das wurde im Netzausbaubeschleuni-gungsgesetz (NABEG) festgelegt.

Zu Beginn der Antragskonferenz hat der Sprecher der BI beantragt, diese Konferenz zu vertagen, da es sich bei dem Vorhaben um die Fortführung einer vom Bundesverwaltungsgericht als „rechtswidrig“ erkannten Planung (Bertikow-Neuenhagen) handelt. Das Vorhaben Bertikow-Pasewalk setzt aber die Realisierung dieser rechtswidrigen Planung voraus. Nur dann ist die Errichtung einer 380kV-Leitung von Bertikow nach Pasewalk netztechnisch sinnvoll.

Eine Genehmigung dieses Vorhabens durch die Bundesnetzagentur setze, so unsere Argumentation, das Landesbergamt unter Druck, die rechtswidrige Planung der Leitung Bertikow-Neuenhagen zu genehmigen.

Die Versammlungsleitung hat sich dieser Argumentation mit dem formalen Argument, dass es sich um zwei voneinander unabhängige Genehmigungsverfahren handle, nicht angeschlossen und die Antragskonferenz gegen unseren Protest durchgeführt.

  1. Erfolgreicher Appell zur Übernahme von Bürgschaften

Der „Wir in der Biosphäre“ e.V., der Trägerverein der Bürgerinitiative ist zwar in der Lage, einen neuen Rechtsstreit zu finanzieren, aber das Prozeßrisiko im Falle einer unvorhersehbaren Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht könnte mit den vorhandenen Mitteln nicht abgesichert werden. Deshalb haben der Vorsitzende des „Wir in der Biosphäre“ e.V. und der Sprecher der BI an die Unterstützer appelliert, Bürgschaften für den Fall einer unerwarteten Niederlage in einem zu führenden Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht zu unterzeichnen. Dieser Appell ist auf eine gute Resonanz gestoßen, so dass die BI und der „Wir in der Biosphäre“ e.V. handlungsfähig sind.

  1. Akteneinsicht beantragt

Um Klarheit über den Stand des Planergänzungsverfahrens zu gewinnen, wurde im November 2019 abermals Akteneinsicht beantragt .

50 Hertz hat uns gegenüber betont, auf alle beim LBGR eingegangenen Stellungnahmen geantwortet zu haben, so dass die Entscheidung jetzt also beim LBGR liegt.

  1. Zum Koalitionsvertrag

Im Koalitionsvertrag ist von der Stärkung der Schutzgebiete die Rede und die Errichtung einer 380kV-Freileitung im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und in den betroffenen europäischen Vogelschutzgebieten (SPA) ist mit dieser Aussage nicht vereinbar.

Vor dem Hintergrund dieses Rückblicks gehen wir voller Zuversicht in das neue Jahr, in dem der Konflikt sicherlich wieder etwas Fahrt aufnehmen wird und wichtige Weichen für die künftige Entwicklung gestellt werden.

Eine rasche Beilegung des Konflikts ist aber nicht zu erwarten. Wir werden weiter einen langen Atem brauchen! Wir sind uns aber der Unterstützung durch die betroffenen Städte, Ämter und Gemeinden und der umweltbewußten Bürger im Barnim und der Uckermark sicher.

Wir bedanken uns bei allen für die Unterstützung in der Vergangenheit und wünschen ihnen ein frohes Fest und alles Gute zum Jahreswechsel.

Es bleibt dabei:

Nicht über unsere Köpfe! Keine 380kV-Freileitung durch Schutz- und Wohngebiete!

Senftenhütte, Dezember 2019

Hartmut Lindner, Sprecher der Bürgerinitiative