Eingangsstatement der Bürgerinitiative beim Erörterungstermin

1. Gegen die Engführung Meine Damen und Herren, sehr geehrte Mitarbeiter des Landesbergamts, ich bedanke mich für die Einladung und die Möglichkeit als Sprecher der Bürgerinitiative „Biosphäre unter Strom – keine Freileitung durchs Reservat!“ heute hier sprechen zu können. Es geht heute nicht allein um den Vogelschutz, sondern um die Freileitung. Das ist nicht nur eine Freileitung, wie Sie sie hier in der Region kennen, eine 110 oder 220kV-Freileitung, nein es geht um eine 380kV-Freileitung, die die 4,5-fache Durchleitungskapazität der bestehenden 220kV-Freileitung hat, deren elektrische und magnetische Felder wesentlich stärker sind als die der Bestandsleitungen und deren Masten mit bis zu 60 Meter höher und deren Traversen mit bis zu 40 m breiter sind als das, was Sie kennen. Zu reden ist heute über die vielfältigen Risiken, die von diesem Vorhaben ausgehen: über die gesundheitlichen Risiken – da fragen Sie mal Ihren Arzt oder Apotheker, nicht die Bundesimmisionsschutzverordnung, die 26. Bimsch, die Ihnen versichert, dass Sie, da eine Feldstärke von 100 Mikrotesla nicht erreicht wird, allemal auf der sicheren Seite sind, selbst wenn Sie unmittelbar unter der Leitung stehen. Zu reden ist über das sozialmedizinische Gutachten von Dr. Oberfeld, der auf der Basis der Auswertung von epidemiologischen Studien zu dem Ergebnis kommt, dass ein Mindestabstand von 135 m angezeigt wäre, um z.B. die Risiken von Kinderleukämie zu vermeiden. Zu reden ist über die wirtschaftlichen Risiken, die mit der Leitung verbunden sind, die Wertverluste der Immobilien in Trassennähe, die nicht vom Verursacher, dem Vorhabenträger ersetzt werden, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gibt, aber vielleicht doch eine moralische Verpflichtung? Moral steht heute nicht auf der Tagesordnung? Aber die Rechtsgrundlagen stehen auch nicht auf der Tagesordnung, wenn ich die Einladung recht verstehe. Das Energieleitungsausbaugesetz sollte hier schon näher beleuchtet werden. Dieser Akt fahrlässiger Gesetzgebung, denn als der Bundestag dieses Gesetz beschlossen hat, da war das Raumordnungsverfahren abgeschlossen und man hatte erkannt, dass die geplante Leitung, weil sie die Schutzgebiete queren würde, nur bedingt genehmigungsfähig war. Der Gesetzgeber machte daraus den Auftrag zum beschleunigten Ausbau. Das EnLAG ist, so die gut begründete Auskunft des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, in seiner „Verfassungskonformität zweifelhaft„. Aber die Landesregierung war bislang nicht gewillt, das Bundesverfassungsgericht hier um eine Klärung zu bitten. Die oppositionellen demokratischen Kräfte im Bundestag sind nicht stark genug, um eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in dieser Sache einzureichen. Zu reden ist auch über die Risiken, mit denen diese Leitung die lebensmittelverarbeitenden Unternehmen und die Landwirtschaft belastet. Zu reden ist über die Risiken für die Unternehmen des sanften Tourismus und über die Strangulierung der Entwicklungschancen unsere Dörfer, die durch die Leitung eingeschnürt werden. Wenn wir darüber reden, dann werden viele den Widerstand der Einwohner und der kommunalen Parlamente und Städte gegen das Vorhaben besser verstehen. Dieser Widerstand ist seit 2008 ungebrochen. Zu reden ist über die Zerstörung des Landschaftsbilds, das im Biosphärenreservat geschützt ist – hier hoffe ich auf das Landesumweltamt und seinen Präsidenten, der mir neulich unter Zeugen persönlich versichert hat, dass er auch nicht von der Trassierung der Freileitung durch das Biosphärenreservat überzeugt ist, so dass ich ihn nicht agitieren müsste. Ich hoffe auf die Biosphärereservatsverwaltung, die sich heute klar und deutlich positionieren kann. Zu reden ist natürlich auch über den Vogelschutz, da sind die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts ja klar. Zu reden ist aber auch über Alternativen zur geplanten Freileitung, z.B. über eine teilweise Erdverkabelung in sensiblen Bereichen. Muss die Leitung denn durch den Naturpark Barnim, durch Eberswalde und das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin geführt werden? Ich appelliere an alle Verantwortlichen in Politik und Verwaltung und vor allem an den Vorhabenträger, gehen Sie auf uns zu, suchen Sie mit uns eine Lösung des Konflikts. 2. Für Aufklärung und Freiheit der Diskussion Ich appelliere an alle, sich der Engführung durch eine restriktive Handhabung der Tagesordnung zu widersetzen. Es geht um die Zukunft unserer Region. Die Masten, deren Errichtung Sie hier heute möglicherweise zustimmen, werden 80 Jahre lang stehen. Es geht um Aufklärung und da bin ich ganz optimistisch, da halte ich mich an Kant, der sagt: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ die im „Unvermögen sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ wurzelt. Kant klärt uns zwar auch über die Schwierigkeiten, die dem Gebrauch des eigenen Verstandes entgegenstehen, auf und versichert uns: „Dass aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich, ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit lässt, beinahe unausbleiblich.“ Deshalb plädiere ich für eine freie Diskussion und gegen jede Engführung. Vorgetragen vom Sprecher der Bürgerinitiative, Hartmut Lindner Foto: R. Munzeck