Eine skandalöse Fehlentscheidung des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts

Am 21. Juni 2022 ist über die Klage des NABU-Brandenburg gegen den Beschluss des Landesbergamts im Planergänzungsverfahren für die von 50 Hertz geplante Leitung mündlich verhandelt worden.  Heute, am 5. Juli 2022 wurde das Urteil des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts verkündet (siehe Pressemitteilung des Gerichts).

Das Gericht hat die Klage abgewiesen und auch nicht einen der Beweisanträge, die unser Anwalt gestellt hatte für den Fall dass die Klage abgewiesen würde, befürwortet.

Dieses Urteil ist aus unserer Sicht ein glattes Fehlurteil, das weder juristisch noch fachlich gerechtfertigt ist.

Es ist eine skandalöse Fehlentscheidung mit schweren Folgen für unsere Region, nicht nur für die Vogelwelt, sondern für den Natur- und Landschaftsschutz, für die unmittelbaren Trassenanwohner und auch für die ökonomische Entwicklung der Region. Der naturnahe Tourismus wird die Orte, die in Sichtweite der Trasse liegen meiden, die Immobilien in Trassennähe werden einen erheblichen Wertverlust erleiden und der Imageschaden für Anbieter und Verarbeiter von Lebensmitteln in der Region ist nicht abzuschätzen. Die Bürgerinitiative hat von schon zu Beginn des Konflikts auf diese Risiken hingewiesen.

Das Urteil wird für die Vogelwelt im Biosphärenreservat und im Randow-Welse-Bruch verheerende Folgen haben. Beim Herbst- und Frühjahrszug wird man das, wenn die Leitung steht, sehen können denn die Freileitung durchschneidet den Nordosten Brandenburgs, das Gebiet mit dem hochwertigsten Vogelaufkommen in Deutschland.

Hier leben auch viele gefährdete Arten, deren Lebensbedingungen durch die 380kV-Freileitung erheblich beeinträchtigt werden.

Es ist nicht nachvollziehbar, wie der 4. Senat dazu kommt, festzustellen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der geschützten Arten im Gebiet des Landiner Haussees und des Felchowsees. zwischen denen die Freileitung verlaufen wird, ausgeschlossen ist.

In den verschiedenen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung haben unsere Experten, ausgewiesene und anerkannte Ornithologen, dargelegt, weshalb eine erhebliche Gefährdung der geschützten Vogelarten nicht auszuschließen ist, wie der gesetzliche Auftrag lautet.

Mit dem heutigen Urteil werden diese Argumente vom Tisch gewischt.

Auch die Ausführungen zum zweiten Schwerpunkt in der mündlichen Urteilsbegründung sind nicht akzeptabel, denn hier bezieht das Gericht, ohne auf die Details der Problematik einzugehen, einen komfortablen rechtspositivistischen Standpunkt, indem es, ungeachtet der Tatsache, dass in Europa seit gut zehn Jahren 1000 Kilometer Erdkabel im Hoch- und Höchstspannungsbereich in Betrieb sind, feststellt, dass der Einsatz von Erdkabeln im Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) nur in Pilotprojekten vorgesehen sei.

Dass die Verfassungskonformität des EnLAG „zweifelhaft“ ist (so das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutsche Bundestags) und dass das EnLAG durch die Begrenzung des Einsatzes von Erdkabeln auf die Pilotprojekte im Falle von Abweichungsprüfungen in europäischen Schutzgebieten möglicherweise mit EU-Recht kollidiert, diese Hinweise werden vom Gericht ignoriert beziehungseise nicht für relevant erachtet.

Eine Vorlage der Klage beim Europäischen Gerichtshof hat das Gericht abgelehnt.

Als Konsequenz der Abweisung der Klage ergibt sich auch, die Kostenentscheidung, die allein zu Lasten des Klägers geht.

Juristisch ist also das letzte Wort gesprochen, ein böses Wort, das das Vertrauen in den Rechtsstaat untergräbt, gerade weil es nicht nachvollziehbar ist, vor allem weil es im Vorfeld der mündlichen Verhandlung eine Reihe von Entscheidungen gab, die zu unseren Gunsten ausgefallen sind. Immerhin hat das Gericht einen teilweisen Baustopp für 2/3 der Trasse verfügt und uns im Eilverfahren Rechtsschutz gewährt.

Nachvollziehbar ist allerdings, dass der Vorhabenträger 50 Hertz durch seine Baumaßnahmen „auf eigenes Risiko“ (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts) Fakten geschaffen hat, die das Gericht offenkundig nicht unbeeindruckt gelassen haben.    

Es gibt keine Möglichkeit, dieses Urteil durch einen andere Instanz überprüfen zu lassen. Das Bundesverwaltungsgericht ist hier, eine Konsequenz des EnLAG, erste und letzte Instanz.

Offenbar gibt es keine Möglichkeit, dass wir den Konflikt vor das Bundesverfassungsgericht tragen. Der Rechtsweg ist erschöpft und es ist bitter, festzustellen, dass man nicht Recht bekommen hat.

Wir werden die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann noch einmal ausführlich diese „Rechtsfindung“ würdigen.

So bitter das Urteil ist, das heute gesprochen wurde, so bitter es ist, festzustellen, dass die Bürgerinitiative ihr Ziel, den Schutz von Mensch und Natur im Einzugsbereich der Trasse nicht erreicht hat. Dennoch zieht die Bürgerinitiative eine positive Bilanz.

Wir haben, getragen vom Engagement der Bürger, den Vorhabenträger und die Genehmigungsbehörde gezwungen, ihr Planungen wiederholt zu überarbeiten und damit das Verfahren entschleunigt. Wir haben zwei gerichtliche Baustopps erfochten und den Vorhabenträger zu einer Fülle von Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen veranlasst.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass wir durch das in diesem Konflikt erfochtene Urteil aus dem Jahr 2016 den Artenschutz erheblich und nachhaltig prägen und verbessern konnten , denn die Pflicht einer artbezogenen Prüfung, die heute gang und gäbe ist, haben wir damals durchgesetzt.

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